23. Februar 2024
Pensionskassen, Sozialversicherungsträger und Milliarden-Developments
Unglückseliges Zusammenwirken: Wer mit den großen Hunden …
Allerorten werden derzeit Klagelieder über Zahl und Umfang der Insolvenzen von Projektentwicklern gesungen, die eine Vielzahl von Beteiligten direkt und indirekt betreffen. Parallel wird aber ebenfalls erkennbar, daß die hiervon betroffenen Investoren auch aus Bereichen stammen, die man bisher kaum in größeren Projektentwicklungen oder in strukturierten Finanzierungen von Projektentwicklungen gesehen hat: Zusatzkassen, Pensionskassen und Körperschaften wie beispielsweise Sozialversicherungsträger.
Zu den Konsequenzen für Pensions- und Versorgungskassen hat das MANAGER MAGAZIN am 19. Dezember 2023 einen gut recherchierten und für die Betroffenen sicherlich erschreckenden Artikel veröffentlicht. Eine ähnliche Anlegergruppe ist diesbezüglich allerdings bisher noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten: Die Sozialversicherungsträger als Träger der Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung, beispielsweise kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen. Einen deutlichen Hinweis zu deren Engagement in der Finanzierung von Projektentwicklungen konnte man in den vergangenen Tagen der Presseberichterstattung entnehmen, siehe hier: IZ Immobilienzeitung vom 14.02.2024. Diesem Anlegerkreis gilt der Fokus des heutigen Blogbeitrages, wobei sich manche Aspekte genauso auf Pensionkassen und Zusatzversorgungseinrichtungen beziehen.
Wie müssen Sozialversicherungsträger investieren?
Der wesentliche rechtliche Rahmen ist in §§80 – 86 SGB IV, dort insbesondere §83 SGB IV, zu finden. Darüber hinaus gibt es weitere Vorschriften, die erläuternden Charakter hierzu haben.
In §80 SGB IV wird gefordert, daß Sozialversicherungsträger zu einem besonders vorsichtigen Investitionsverhalten verpflichtet sind. In §84 SGB IV wird ausgeführt, daß Besicherungen in Immobilien einen maximalen Auslauf bei 2/3 des Verkehrswertes haben dürfen – dieses zu einem jeden Zeitpunkt. In den „Grundsätzen für die Anlage und Verwaltung der Mittel der Sozialversicherungsträger“ des BAS Bundesamtes für Soziale Sicherung wird erläutert, daß diese Regelung zugleich für Immobilienprojektentwicklungen gilt, und zwar auch in deren Frühphasen. Jedes Investment ist vor dem Hintergrund von §80 einzeln zu prüfen. Wie könnte es also zu den Schieflagen in den Portfolios gekommen sein?
Mögliche Gründe für heutige Probleme:
- Die Anleger waren mit den hochkomplexen Anlageformen (hierzu zählen beispielsweise Schuldverschreibungen, Schuldscheindarlehen, andere strukturierte Wertpapiere zur Finanzierung, teilweise mit Bezug zu Entities nach Luxemburgischem Recht) überfordert
- Dezidierte rechtliche Prüfungen haben kaum oder nicht stattgefunden, die Renditeberechnungen waren sehr oberflächlich
- Die den Wertpapieren zugrunde liegenden Immobilienprojektentwicklungen und -investitionen wurden nicht kritisch genug geprüft, um sicherzustellen, daß man auch bei veränderten Parametern (Baukosten, Realisierungs- und Vermarktungszeiträume etc.) im Rahmen der Anforderungen des §84 SGB IV bleibt
- Es gab keine ausreichenden Risikoanalysen der Investments, insbesondere keine Szenarienrechnungen, Risk-Return-Analysen oder Auswertungen zur eigenen (Rechts-) Position im Gesamtkontext der Projektentwicklung; die Möglichkeiten des aktiven Risikomanagements wurden nicht genutzt
- Die Größe der Investoren war unproportional zu den Volumina der jetzt problematischen Immobilienprojektentwicklungen
- Auch wurde in einem Rahmen investiert, in dem sich deutlich größere und professionellere Player als die Sozialversicherungsträger und Versorgungsreinrichtungen auf allen Seiten des Investments tummelten.
Das aktuelle Problem: Etliche der Projektentwicklungsgesellschaften befinden sich in oder kurz vor der Insolvenz. Die Wertpapiere, die die Anleger halten, sind im Wert entsprechend reduziert und folglich teilweise aus den Anforderungen des SGB IV herausgelaufen. Die Aufsichtsinstanzen sind somit zum Einschreiten verpflichtet. In der Folge müssen die Portfolien neu strukturiert werden, um gesetzeskonform zu sein. Dieses bedeutet, daß für nicht SGB-konforme Investments ein Exit gesucht werden muß – aber welcher Investor ist geneigt, sich Anlegerpapiere bezogen auf problematische Projektentwicklungen in kritischen Situationen zu eigen zu machen und dann ggf. noch verpflichtet zu sein, im Kanon mit anderen (kleineren) Investoren über Sachverhalte zu den Investitionen und Projektentwicklungen abstimmen zu müssen?
Ergo: Es droht in diesem Jahr, daß bisherige Buchverluste durch schnelle Veräußerungen im Rahmen aufsichtsrechtlicher Anforderungen tatsächlich realisiert werden. Es erscheint möglich, daß einige Profis diese Investments zu äußerst geringen Kursen aufkaufen, so daß es den betroffenen Investoren durchaus anzuraten ist, in Szenarien Alternativen zu einem Exit zu prüfen und so eine möglicherweise höhere Recovery Rate zu erreichen.
Es bleibt die Hoffnung, daß die externen Aufsichtsinstanzen und internen Aufsichtsgremien vernünftigen Lösungen, die auch ausserhalb eines Fire Sales der betroffenen Investments liegen können, zustimmen und die von Problemen gebeutelten Anleger diese Lösungen dann auch professionell zum Schutz und zur Rettung ihres für Dritte angelegten Kapitals umsetzen.
Für die Zukunft ist vielen dieser Einrichtungen dringend zu empfehlen, die Investitionsseite für Immobilien neu aufzustellen. Es muß eine aktivere Verzahnung nicht nur mit dem Rechtsbereich, sondern auch mit dem Controlling und Compliance gelebt werden. Ein professionelles Risikomanagement, wie es für Privatunternehmen in §1 StaRUG vorgeschrieben ist, sollte für Sozialversicherungsträger, Versorgungseinrichtungen und ähnlich Anleger verpflichtend sein und regelmäßig durch die Aufsichtsinstanzen geprüft werden. Weiterhin werden auch bei diesen Körperschaften zukünftig viele Bedingungen aus der ESG-Welt sehr weit vorne stehen und von den Mitgliedern eingefordert werden, was neue Anforderungen für die Governance mit sich bringt – diese gilt es zukunftsorientiert umzusetzen.
An dieser Stelle sei kurz darauf hingewiesen, daß es bei Körperschaften ebenso wie bei Privatunternehmen eine Organhaftung der Geschäftsleitung gibt, dieses beispielsweise aus Verstößen durch Unterlassen (zB Risikoprüfung, angemessene Due Diligence Untersuchungen) oder Organisationsverschulden.
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